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LYRIK hoch zwei


Kunst von sc.Happy
inseriert: 19.07.19
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Gerd Adloff Möblier dein Herz mit Zuversicht mit Montagen von Gregor Kunz Bei einem Gedicht aus dem neusten Lyrik-Band von Gerd Adloff war ich selbst dabei. Wir zogen für eine Woche / in ein Haus zwischen Steinen / heizten den Kamin mit Torf / tranken abends viel Whiskey / und stritten uns. / Es ging hoch her. / Ob etwas kaputt ging? / Kein Teller, keine Tasse, kein Glas. Oh ja, ich erinnere mich gut daran, und etwas Trauer schwingt bei meinen Worten durchaus mit, denn wir waren damals zu viert und alle noch so gute Freunde. Dieses Streiten, liebe Freunde, war unser gemeinsame Kit. So verloren wie wir damals schienen, gleich nach dem Mauerfall. Berlin war angesagt, die Leute spielten verrückt und benahmen sich, als wäre der Krieg vorbei. Wir sagten uns, der Krieg ist nie vorbei. Nur deswegen erkundigten wir doch einige Jahre lang zusammen Irland. Vier Freunde wollten wir bleiben, und Connemara wurde so etwas wie eine zweite Heimat für uns. Bis dreizehn Uhr ließen wir die Finger vom Alkohol. Dann aber schlugen wir zu, jeder, alle wie wir waren. Und ich behaupte es freudig-stolz, jeder von uns Vieren hätte das Gedicht genauso geschrieben, nur hatten wir es nicht so mit dem Dichten. Das musste Gerd Adloff errichten und er macht seine Sache immer noch sehr gut, derweil wir Irren längst schon mit den Rücken zueinander stehen. Das alles ist lange her kann man zur Begründung sagen oder scheiß darauf, nachts sind viele Kater blau. Es ist wie es ist. Wir reisen nicht mehr gemeinsam und ich will auch gar nicht wissen, wer von uns sich noch die alten Fotografien anschaut und wie darüber denkt. Wir haben es einfach nicht drauf gehabt und die Freundschaft verschlissen. Thats live, denke ich und, dass wir ruhig weiter irren sollen, derweil wir weiter altern, nun eben jeder für sich. Wir haben es verbockt und nun ergeht es uns wie es uns ergehen musste. Wir sind in die Brüche oder Knie gegangen wie andere Menschen auch. Selbst Bürgerrechtler haben über die Jahre nicht recht behalten und sich längst untereinander miteinander überworfen. Möblier dein Herz mit Zuversicht heißt es also bei Adloff somit vollkommen zurecht, der in seinen Träumen lieber weit abdriftet und nur noch Jörg Fauser als einzigen Freund in der fremden Stadt sieht. Ich könnte auch von einem Resümee sprechen und behaupten, der Dichter Adloff verabschiedet sich, macht Winke winke und klappt das scharfzüngige Messer zu. Nur hört ein deutscher Dichter nicht auf damit, die Gesellschaft bescheiden zu sezieren. Und da sind ja in dem Buch nich die zwölf Montagen von Gregor Kunz. Zwölf an der Zahl wie es Monate in einem Jahr gibt, von denen mittlerweile viel zu viele Jahre vergangen sind. Zwölf ist aber die Anzahl von guten Feen, bevor dann die dreizehnte dazwischenfährt und jede FriedenFreude brutal abfackelt. Ich bin beim Lesen des Bandes zum Schluss hin so lyrisch gestimmt worden, dass ich die zwölf Titel der Kunz-Montagen hintereinander selbst als ein großes Gedicht gelesen habe. Ob nun gewollt oder rein zufällig entstanden, haben sich die Titel vollkommen zu einem Ganzen zusammengefügt, weswegen ich das Poem an dieser Stelle explizit zur Welturaufführung bringe: Was nun, Partisan? Fremde feixen, Feinde, miteinander die Phantome in den Spiegelgalerien. Nach uns die Zukunft. Zeugen will gelernt sein, dann angewandt und nicht vergessen werden. Übel sei es, Nichtiges zu reden, leider. In der Sonntagstür das Gold der Tage leuchtet. Runzlig ist die Kunst, das Kind sei heiter. Einst am Wege. Ein guter Mann erzählt Geschichten, nicht: es war und muss so sein. Ornament der Ohnmacht, mein bewaffnetes Organ. Nein, Kind, Ungeheuer gibt es nicht. Zu Zielen, unbekannten, auf geht´s. Die Montage mit der Nummer 115 aus der Serie Brot & Spiele, die dem Buch zu seinem farbigen Umschlag verhalf, findet sich im Band auf Seite 38 als schwarzweiße Grafik wieder und trägt den Titel: Übel sei es, Nichtiges zu reden, leider. Daneben steht auf Seite 39 das Gedicht Kassandra geschrieben. Das dreifache Leiden / keiner erhört sie / sie weiß das / und schreit doch // sie hofft sich zu irren / diesmal / obwohl. Ich mag die beiden letzten Worte sehr, denn wer irren sagt, sagt auch obwohl. Ja, wir irren uns und irren uns ständig und werden irre davon. Nur ist es auch irre schön, sich zu irren, am besten so sehr wie es nur die Irrsten von uns zustande bringen! Irren wir uns alle also, bis das die Augen einem wehtun davon. Dieser Augenschmerz sei schließlich nichts weniger als warum ich noch hoffe & leben will, sagt der Dichter uns, und zeigt uns zeitgleich Auf der Gegenspur / die Geisterfahrer / entbieten beim Entgegenkommen / höflich ihren Gruß. Mehr an Weltweisheit und Kommentar zum Dilemma der Gegenwart kann man von einem kindsnaiv-erwachsenen Lyrikband nicht erwarten, und also rufe ich all meinen verlorenen gegangenen, enttäuschten, verschlissenen, abtrünnigen ehemaligen Freunden zu: Das Ende der Lebenstange ist in Sicht, Adloff, mein Guter, du aber ende mit deiner Dichtung nicht.