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coROMArresta IV


Kunst von sc.Happy
inseriert: 20.03.20
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Ich schicke Mails herum. An Freunde, Bekannte, Verwandte, Kollegen. Sie sagen, ich hielte mich im goldenen Käfig auf, Umstände und Bedingungen seien bestens für mich, genügend Zeit vorhanden, um zu schreiben. Das alles mit Blick auf Bäume. Sie dagegen könnten es sich nicht so gut gehen lassen und fürchten, dass die Menschen recht bald durchzudrehen begännen. Unser Mann für alles, neben dem Praktikanten und der Chefin in der Villa verblieben, geht jeden Tag hinaus die Zeitungen zu holen. Ich lese sie wie all die Tage vorher auch schon im Raum neben seinem Büro. Er sagt, es werde für ihn immer unerträglicher die Römer in Gummihandschuhen und mit diesen Binden im Gesicht zu sehen. Manche zu groß, andere verkehrt herum umgebunden, mit verdrehten und über Kreuz gelegten Bändern, die ihre Ohren wie bei jungen Hunden nach vorne knicken. Die sonst so lustigen, verquasselten Italiener, jetzt stehen sie Meter weit auseinander und jeder für sich vor den Lebensmittelzentren und wirken so traurig und deprimiert. So langsam sickert die Erkenntnis bei allen durch, dass alles noch viel länger dauern wird, als vermutet und im Kühnsten nicht gedacht. Die Menschen rücken näher zusammen. Für die Kinder ist Schule in der Familie daheim. Kaum Zeit dafür vorhanden, sich aufeinander einzuspielen. Haufenweise Probleme, und man kann sich nicht aus dem Wege gehen, für Distanz und Freiraum sorgen. Viele neue Erfahrungen werden gemacht, nur wirken sie sich auf die Schnelle nicht aufs Zusammenleben aus. Schon steigen die Scheidungsraten weltweit an. Wie soll das alles nur enden? Ich möchte über den eignen Tassenrand hinaus schauen und wissen, was Zuhause los ist. Ich frage zum Beispiel bei meinem Verlag an, wie es bei ihnen so zugeht, wenn Buchhandlungen schließen, die Vertreter nicht mehr herumreisen, alle ihre Plätze räumen und von ihren Schreibtischen aus virtuell arbeiten müssen. Weil doch mein Leben hier in der Quarantäne-Villa in gewohnten Bahnen abläuft. Alles wie bisher gehabt. Ich wache auf, schreibe drauflos, halte Mittag, lese Erich Mühsams Gefängnistagebücher, leg mich kurz hin, arbeite danach weiter. Schon ist es Abend. Wir kommen auf der großen Terrasse zusammen, singen Balkonlieder, tauschen Neuigkeiten aus. Das funktioniert und erinnert alles doch eher an Zoogehege, nur eben mit ohne Besucher. Letzte Nachricht. Roms Spanische Treppe wird für Filmaufnahmen in England nachgebaut, was schon eine teuere Sache ist, aber deutlich günstiger, als die Arbeit auf Monate zu verschieben. So einfach geht das.