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Inzmän


Kunst von sc.Happy
inseriert: 27.04.19
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Wir Aufrechten haben Amerika nicht wirklich lieb. Wir machen uns oft genug über Amerika lustig, trinken keine Coca-Cola und finden den American-way-of-life einen Bluff und Betrug an der gesamten Menschheit. Ich fliege nach Amerika, sage ich. Zu meiner Überraschung rät mein Opa mir so gar zu. Flieg nur dorthin! Besuche deine Brüder hinterm großen Teich. Nennt mich Inzmän, was schon lange Zeit keiner mehr tat. Werde dir dort endlich bewusst, dass du ein Indianer bist! Mach dich auf zum besseren Amerika. Howgh, sagt er, ich habe gesprochen. Von Phönix aus fahren wir mit dem Mietwagen direkt in die Reservate. In Camp Verde grüßt uns die große gelbe tanzende Figur, ein sich nach vorn krümmender Trötenspieler. Grüsse dich Kokopelli. Wir sind bald auch schon bei den Hopis, zuvor aber ganz allein auf weiter Flur. Kein Haus, kein Mensch, nicht einmal ein Vogel am Himmel zu sehen. Absolutes Fotografierverbot, selbst für Wiese, Busch und einzelne Steine, alles ist tabu. Die schönsten Bilder entstehen im Kopf, heißt es also. Alles schon oft im Traum vorgefunden. Ich fühle mich angekommen. Da bin ich in Wounded Knee und höre die Trommeln meines Indianerstammes. Da stehe ich und kralle mich am Maschendrahtverhau fest. Die Finger um den Draht gelegt, in den hinein bunte Fetzen geknotet sind, blicke ich auf die viereckige Stele. Ein paar Namen kann ich lesen: Crazy Horse, Big Foot, Red Cloud, die anderen sind aus der Entfernung nicht zu entziffern. Die schwarzweißen Bilder vom Massaker sehe ich. Die Toten, das Blut im Schnee sehe ich. Rücklinks sehe ich Chief Big Foot steif gefroren im kalten Schnee vor mir liegen. Seinen Oberkörper richtet er auf, als hätten ihn die Kugeln nicht wirklich erwischt. Er sieht aus, als wäre der Große Geist noch nicht aus ihm gefahren. Die Gruppe Redbone habe ich im Ohr, ihrem Erfolgssong über Wounded Knee, der Song meines Lebens! We were all wounded, ich und du, sie, er, wir und ihr, alle on the reservation. Sing out our story till the truth is heard. Donnernde Rhythmen, als rase eine Büffelherde über die Bühne. In der Dorfdiscothek stampften wir Jungs damals nach diesem Song in Indianermanier, bildeten einen Kreis, grölten laut: Wir wurden alle in Wounded Knee erschossen wie Tiere in der Reservation festhalten, wo an Überleben nicht zu denken ist. Diese verdammte Siebente Kavallerie, die uns erledigen will. Ich bin Inzmän, schreie ich, der Indianer!, in Rostock geboren, Nienhagen und Rerik aufgewachsen, in Berlin zweiundvierzig Jahre (42) lang wohnhaft gewesen, zünde ich nunmehr die dritte Trägerrakete meines Daseins, Liebe als Treibstoff.

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