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coROMArresta III


Kunst von sc.Happy
inseriert: 20.03.20
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Allen hier fehlt es an Bewegung. Ausgedehnte Spaziergänge in die Stadt sind nicht mehr möglich. Dehnungsübungen, Yoga, Sprünge auf dem Trampolin reichen nicht mehr hin. Mich stört das Manko nicht. Ich saß in den letzten Jahrzehnten für Wochen, Monate immer schon durchgängig unbeweglich und stur auf meinem Stuhl am Schreibtisch, um meine Romane zu schreiben. Seit ein paar Tagen ist die Durchgangstür am Ende unserer Atelierreihe weit offen. So können wenigstens die Jogger unter uns auf dem Villagelände große Runden drehen. Vorher mussten sie am Tor umdrehen und den Bogen retour nehmen. Nun laufen sie also unbehindert durch den Innenhof der Chefin und an unserer langen Fensterfront nach hinten hinaus vorbei, wo wir sie bewundern und beklatschen können. Über Kieselwege laufen sie hinweg, an niedrigen Hecken, prachtvollen Baumreihen vorbei und Rasenflächen, die voller Gänseblümchen sind. Dem vorherigen Chef waren sie so zuwider, dass er den Gärtnern auferlegt hat, sie zu bekämpfen, wo es nur ginge. Die Gärtner haben frei und können sich wie alle Römer virusbedingt den Dingen daheim widmen. Die Gänseblümchen aber sprießen. Ihre Stiele werden lang wie Schwanenhälse. Überall weiße Tupfer. Gänseblumen in Gruppen, Grüppchen, zu viert, zu dritt, zu zweit oder ganz für sich allein, dass es eine Augenweide ist. Überhaupt die Natur. Ganz Rom atmet durch. Die Luft verbessert sich so gnadenlos, dass der eh schon wahnsinnig blaue Himmel über allem an Intensität gewinnt und eine Bläue erreicht, die unter den Stipendiaten zur Diskussion führt, um welches Blau es sich wohl handeln könnte. Unsere Malerinnen sagen, wir hätten es mit einem lange ausgestorben geglaubten, nunmehr wiederentdeckten Blau zu schaffen, für das noch ein Name gefunden werden müsse. Und schauen mich als ihren Schreibenden erwartungsvoll an. Ich sage Altrömisch, Coronablue, Adriano-Celentano-Azurro. Sie schütteln durchweg ihre Köpfe, finden meine Vorschläge nicht wirklich passend. Ich verspreche nachzusinnen, mein lyrisches Innere kräftig abzuklopfen, um dann vielleicht morgen einen schicken Namen präsentieren zu können. Ich setze sofort eine Rundmail auf, fordere die Kollegen der schreibenden Zunft auf, mir behilflich zu werden. Bisher rührt sich bei denen nichts. Kann sein, sie sind mit anderen Dingen vollbeschäftigt. Ist allerdings auch möglich, das unser neues Blau erst demnächst von Italien aus ihre Himmelshoheiten erobert. Meinen Aufruf erweitere ich hiermit auf alle.