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VERFLUCHTE LIEBESBUCHT gegen den Sonnenhunger


Kunst von sc.Happy
inseriert: 25.04.19
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Obwohl am Meer geboren, bin ich kein Strandbelagerer und auch kein echter Badender. Ich halte mich nicht gern am Strand auf, wenn es nur darum geht herumzuliegen. Ich bin vollkommen unfähig, im Liegen klar zu denken. Ich kann nicht einfach so daliegen und dösen. Schon gar nicht brutzle ich in der Sonne. Es ist eine Strafe für mich, auch nur einen halben Tag lang am Strand sein zu müssen, wenn ich mich nicht bewegen kann. Leben heißt für mich Energie aufwenden, vorwärts zu streben. Das ist für mich ein ganz fundamentaler Teil des Lebenssinns, und ich komme mir in diesem Moment dort nicht nur überflüssig, sondern lebensuntüchtig vor. Ein Beispiel rasch dem Ganzen beigefügt. Ich bin mit der Angehimmelt auf ihren Wunsch hin in diese einsame ach, so angepriesene Bucht aufgebrochen. Man hat sie ihr so herzlich empfohlen. Wir werden von einem Hotelboot dorthin gebracht und erst abends wieder abgeholt. Eine einsame Idylle nur für uns beide. Der Mann an der Rezeption flüsterte mir was von Tipp und von Liebespaaren bevorzugt ins Ohr. Er könne mir Geschichten erzählen. Ich soll die drei Ks nicht vergessen, Kekse weiß ich und Kondome, das dritte K wäre Küssen. Wir sind dann in dieser verdammten Badebucht, die die Angehimmelt ausnehmend gut gefällt. Was mich betrifft, so bin ich nach einer Stunde und einigen Malen den Strand hoch, den Strand wieder herunter wandern, am Ende meiner Nerven. Für mich gibt es dort nichts zu bestaunen, nicht eine Muschel zu finden, nichts als Meer und Sand an diesem Strand. Kein Zipfel von einem vertrockneten Seestern. Kein Fetzen Seetang, nicht einmal ein Stück kugelrund aufgedunsener Qualle, an Bernstein nicht zu denken. Nur dieser Himmel dauerblau und diese Sonne, unter deren glühender Kuppel die Angehimmelt brät und mich hin und wieder anlächelt. Es gibt dort keinen nennenswerten Schatten, in den ich mich verkriechen kann. Ich gehe am goldenen oder silbernen Strand weiter auf und ab, hin und her. Ich kann die Langweile nicht verscheuchen. Ich fühle mich wie in einem Gefängnishof zum Hofgang unterwegs. Mir wäre lieb, ein Gefängniswärter käme mit der Trillerpfeife und beendete die Tortur. Mir ist die breite Bucht zu eng. Ich müsste Anlauf nehmen und ins Wasser springen wie Papillon dem Käfig schwimmend zu entkommen. Statt dessen sehe ich die Angehimmelt auf dem Bauch in einem Buch lesend. Bauch, Buch, Bucht, Buchrücken. Wenn sie nicht im Wasser ist, sehe ich sie in der Sonne baden oder zum Wasser laufen und in ihm planschen. Gegen Mittag erscheint zum Programm ein kleines Motorboot mit Erfrischungen, etwas Imbiss, Melone in Stücke geschnitten, Eisgetränke. Ich bin nahe dran zu den Männern ins rettende Boot zu springen und von dieser Liebesbucht abzuhauen. Mach doch, scheint die Angehimmelt zu sagen. Ich bleibe. Wir essen etwas, ich ohne jeden rechten Appetit. Nach dem sie sich an den Speisen gelabt hat, liegt sie wieder nur da und dreht sich langsam um ihre Körperachse, wie man am Spieß das kleine Ferkelchen über der Glut dreht, damit es rundum gleichmäßig braun und gut durchgebraten wird. Ich ziehe mir einen ordentlichen Sonnenbrand zu, doch bevor er mich voll erwischt, kommt Rettung, das Wetter schlägt um. Der Himmel bedeckt sich. Die Angehimmelt friert ein wenig. Ihr Urlaub ist nicht vollkommen in Gefahr. Wir gehen beide am Ufer hin und her. Wir beobachten den Himmel, die Wolken, das Meer, bis uns dann das Hotelboot abholt und zurück zum Hotel bringt.