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Mit der Fahne winken. Mensch zu sein, etwas zu wagen, den
Kampf immer wieder neu ­fortsetzen: Karin Kramer ist
tot. #JW 3.2014


Kunst von sc.Happy
inseriert: 28.03.14
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den lyriktrinkern ins bücherherz

ein augenzwinkern gen weltenschmerz

denn bevor ich mich entferne

erschieß ich meine sterne.


Hermann Jan Ooster

Ich saß in Erfurt, und die Sonne schien, kurz nachdem es heftig wehte, regnete und sogar Hagel plauzte. Und dann erfuhr ich, daß Karin Kramer gestorben ist. Am 20. März, im Alter von 74 Jahren.

Karin Kramer war für mich zu Beginn: Bakunins »Staatlichkeit und Anarchie«, erschienen im Karin Kramer Verlag. Ich hatte Nachholebedarf und verschlang es.

Und dann war Mikrofonprobe in Erfurt, für eine Lesung von mir. Ich sagte in Angedenken an diese mutige Verlegerin: links, links zwo, drei, vier, links. Ganz wie es die Jungs von Rammstein getan haben, um eines klarzustellen, nämlich wie sie ticken, wofür ihr Herz schlägt.

Ich habe Karin Kramer sehr früh kennengelernt, das heißt, ihre Autoren. Thomas Kapielski, der gesagt hat: Ich schätze diesen Verlag und weiß mich seinen Anstiftern Karin und Bernd in bester Freundschaft verbunden! Später lernte ich durch »Affentöter. Ab heute wird zurückgeschrieben!« auch Karsten Krampitz herzlich schätzen. Ich lernte auch Erich Maas kennen, der mein oder unser Verleger wurde. Eine kräftige Person mit Durchsetzungsvermögen, festen Ansichten, Charme und Mut, Schönheit, Feinsinn und Entschiedenheit. Selbiges gilt für Karin Kramer. Und ich wäre sicher als Autor bei ihrem Verlag gelandet, wenn nicht schon Erich Maas mich und Baader-Holst unter seine Fittiche genommen hätte. Als der dann Jahrzehnte später viel zu früh starb, war der Verlust, den ich sofort empfand, dem heutigen gleichzusetzen.

Sie fehlen, wenn es sie nicht mehr gibt, diese wahrhaften Verleger, diese Menschen, die alles das haben, was insgesamt im Aussterben begriffen ist. Einen sicheren Instinkt, ein festes Bewußtsein, Solidarität und das Herz für die Autoren, denen geholfen werden muß. Und von dieser großen Art war Karin Kramer. Mensch zu sein, etwas zu wagen, den Kampf immer wieder neu fortsetzen, fröhlich bleiben, sich totlachen über die Idiotie der Welt, dem Schwachsinn den Spiegel entgegenhalten, klare Meinung wahren, reagieren und absichtliche Schnippchen schlagen – all das braucht es, sich einen Namen in der Branche zu schaffen.

Einen Namen, der über die Lebenszeit hinaus bestehen wird und für eine progressive Denkweise steht. Bücher in die Welt werfen, die es braucht. Und wenn es noch so hoffnungslos scheinen mag. Und wenn das Ende des Buches wieder und wieder vorhergeträllert wird. Nach Autoren suchen, mit ihnen Bucharbeit leisten, ihnen die Plattform bieten, stolz auf die Bücher sein, die die Masse gar nicht zur Kenntnis nehmen will. Das zeichnet die Verleger vom echten Schlage aus. Karin Kramer hat Bert Papenfuß und RUMBALOTTE CONTINUA (sieben Ausgaben im Schuber) in die Welt gebracht.

Etwas gemacht und herausgegeben zu haben ist niemals umsonst gehandelt. Denn ganz im brechtschen Sinne wendet sich das Blatt, die falschen Götzen, die uns vormarschieren, landen weit, weit hinten, wenn es zur Kehrtwende kommt. Es ist dann wie in dem Film mit Charlie Chaplin, der eine rote Fahne aufnimmt, die ein Laster verloren hat. Und mit dieser Fahne rennt er dem Wagen winkend hinterher. Und wie er so vergeblich winkt und das Fähnlein schwingt, kommt aus der Seitengasse ein Demonstrationszug geschritten. Und Charles rennt vor denen weg, und also denen voran. Und nicht viel anders sehe ich Karin Kramer im Geiste nun vor mir mit ihrem lebenslänglichen Verlagsprogramm wie eine Flagge, ein Banner, das nun als wertvolles Ringlein, Ringlein von der einen Hand zur anderen wandern wird.

Dessen bin ich mir ganz sicher. Und darum ist uns nimmer bange, wenn ein Leben nur intensiv genug mit aller Konsequenz für Kunst und somit auch das Leben gelebt worden ist. Und wenn sie sinngemäß einmal meinte, die Realität wäre bloß für die Phantasielosen da, dann bleibt sie unsere gute Helferin auf der ewigen Flucht.

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