Hinter unseren Mauern höre ich es viel häufiger scheppern. Das sind die Flaschenwegwerfer. Altbekannte Töne, die ich, in meinen schönsten Saufzeiten, zur Freude der Anwohner mehrmals in der Woche erschallen ließ. Alkohol wird knapp. Der Konsum steigt an. Ich bin, weil ich nicht trinke, so etwas wie ein stiller Held in der Villa, aber auch ihr schwächstes Glied. Mein Verzicht verheißt den anderen Zuversicht. Erleben sie mich täglich wohlbehalten, werden auch sie die durstig-trübe Periode überstehen. Darauf könnte ich mir etwas einbilden, doch begnüge ich mich tunlichst mit der Vorbildwirkung. Wir gucken Margaret Atwoods Die Zeuginnen. Ich stelle Vergleiche zu uns an. Der abgeriegelte Raum ist die Villa. Die rot-weiße Anstaltstracht sind die Nachrichten, die uns im Kopf geistern, wie Zwangsjacken einengen. Unsere Tage sind so langatmig und unaufgeregt wie die der TV-Serie, in der Atwood selbst einmal kurz als prügelnde Aufseherin auftritt. Das ist der Schlag des leibhaftigen Virus. Der prügelt auf uns alle ein. Alle Länder werden zum Kontrollstaat Gilead. Persönliche Freiheit, Autonomie, Würde und Gleichberechtigung der Bürger werden wie Hexen gejagt. Das Wilde an uns wird Heim und an den Herd geschickt, der Aufruhr in uns abgetötet. Wir leben entgegengesetzt zu dem, was Menschen sich erträumen. Willfährig erliegen wir dem cäsarischen System, in dessen Mittelpunkt die Infektionsgefahr steht. Wir müssten rebellieren und ordnen uns widerstandslos Kommandanten unter, deren Häscher draußen patrouillieren, wo die Flüchtlinge hausen. In normalen Zeiten wären wir uns alle unsympathisch. Eine Freundin hat ihren Geburtstag allein mit Apfeltorte aus dem Frost und einer Flasche Sprühsahne aus der dortigen Kaufhalle gefeiert. Dort meint Mecklenburg, woher ich stamme. Unweit entfernt von Dort gibt es Rom als kleinen Ort bei Parchim. So etwas Exotisches wie Sprühsahne wollte ich schon lange einmal haben, schreibt sie, hab´ mich nur nicht getraut. Jetzt aber, als Zeichen gegen den befohlenem Selbstschutz, wird sich nicht mehr zimperlich benommen und Sahne in den Mund gesprüht bis sie aus allen Poren quillt! Zum Sich-was-trauen ist es nämlich nie zu spät. Dass die Kohlen im Ofen schön durchgebrannt waren, als sie die Ofentür verriegelte und sie im Freien die Sternkuppel über sich betrachtet hat, schreibt sie. Sind alle noch da! Nicht ein Stern vom bösen, schwarzen Loch verschlungen worden! Mein Geschenk an sie? Ich werfe mich in mein kleines Arbeitszimmer und beginne in meiner Zelle den Roman zu schreiben. Arbeitstitel Der Stipendiat .