© Kai Pohl

„Alles reduziert sich schließlich auf die Begierde und
die Abwesenheit von Begierde. Der Rest ist Nuance.“ Emile
Michel Cioran, Erwürgte Gedanken, in: Die
verfehlte Schöpfung, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1979, S.
113.
Kunst von Kai Pohl
inseriert: 19.06.22
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Ciorans Vermächtnis
Wir lagen am Boden, fickten
das Gras, in dem wir uns rollten,
wir fickten das Laub, das
über uns wachte, wir kitzelten
unsere Namen heraus, schrieben
sie auf Steine & übergaben sie
dem Meer, dem Meer in uns,
denn das wirkliche Meer lag fern.
Wir ernährten uns von grünlich
schimmernden Flüssigkeiten, es
kam kein Hunger auf, außer der
Hunger auf unsere Körper, von
denen wir nicht genug bekommen
konnten. Wir schliefen unter
den Sternen, mit den Sternen,
wir schliefen mit der Sonne,
denn es war Nacht, und die
Sonne schlief. Wir fickten
nicht das System, nein, dieses
gräßliche System wollte von
uns niemand ficken. Dabei fickte
das System uns, unaufhörlich,
überall, wo es uns erwischte.
Wir fickten unterdessen die
Käfer, die Spinnennetze, den
Nachtwind & die Schnecken,
diese glitschigen Gefährten, die
selbst schwer am Ficken waren.
Wir ernährten uns von grünlich
schimmernden Flüssigkeiten,
von unserem Hunger auf unsere
Körper, während am Display
ein unverbrauchter Tag aufschien,
unser Begehren fest im Griff, fest
im Griff des Begehrens.