© sc.HAPPY
MOMS CAFE. Eine der endlosen Wiederbegegnungen. Möglichst
beim Teetrinken lesen
Kunst von sc.Happy
inseriert: 11.09.09
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Der unsichtbare Indianer oder: Alfred Hitchcock ist in dir
Ich war für einen kurzen Moment in Amerika. Es war mein dringlicher Wunsch, Wounded Knee zu sehen. Wounded Knee ist eine Siedlung in South Dakota im Indianerreservat Pine Ridge gelegen. Vierhundert Sioux, die einer friedlichen Protestbewegung angehörten, wurden am Wounded Knee Creek durch amerikanische Kavalleristen getötet. Wovoka, auch Jack Wilson genannt, um 1856 bis 1932 lebhaft, war ein indianischer Prophet aus dem Stamm der Paiute, im heutigen Mineral County, Nevada geboren. Nach dem frühen Tod seines Vaters wuchs er ab dem 14. Lebensjahr bei der Familie des weissen Farmers David Wilson auf. 1888 erkrankte er 32jährig und erwachte eines Tages aus einem, seiner zeitweise sehr tiefen, todesnahen Delirien, um zu bekennen, ihm sei Gott höchstpersönlich erschienen, Gott habe ihn untergehakt, ihm ein Tanzritual beigebracht, welches er seinen indianischen Landbrüdern als Ghost Dance, Geistertanz, lehren soll. Den Tanz, strikt getanzt, würde den Indianern ihr ursprüngliches Land baldigst wiederbringen, sie mit ihren Vorfahren vereinen, ihnen ein Leben in ewigem Frieden und Wohlstand sichern.
Soweit dieser allwissende Büchertext
Nun schnell noch die Realität und deren Schicksal speienden Folgen
Die Plains-Indianer sahen in dem Vortänzer nun ihren zuckenden Messias und führten Gott zum Gehorsam jede Nacht Geistertänze auf. Das machte den Nichtindianern vor allem Angst und spielte eine ausserordentliche Rolle bei der Verhaftung und Ermordung des Sioux-Häuptlings Sitting Bull am 15. Dezember. Das Massaker am Wounded Knee, 29. Dezember desselben Jahres, richtete sich vor allem gegen die Aufführung der rituellen Tänze. Die Tanzenden wurden zuerst erschossen. Wovoka verlor an Bedeutung.
Ich sah die silbrigen Reisebusse der Rentner im Sonnenlicht funkeln. Ich meinte, meine aus dem Osten geflüchtete Raben-Mutter, könnte es nach Amerika verschlagen haben, wo sie mit ihrem alternden Liebhaber am Steuer sich abwechselnd, in einer dieser fahrbaren Wohnungen unterwegs wäre, um ihre restlichen Tage als elende Strassenmeilen abzuspulen, Glück und Beweglichkeit zu tanken.
Es lohnt sich ein Lied zu pfeifen, wo immer man sich mit dem Fahrzeug auch bewegt
Auf dem warmen Asphalt nahe Badland wimmelt es zum Abend hin von Schlangen. Gelbe, graue Viecher mit dezenter, bräunlicher Maserung. Sie suchten die kuschlige Wärme der von Sonnenstrahlen aufgeladenen Strasse zu erobern.
von unter her
mit der vollen Bauchbreitseite
YES
Majestätisch und eng lagen sie am Strassenrand beisammen. Ganz wie sich sonst nur Urlauber an den Küstenstreifen der Erde ausbreiten. Still. Bewegungslos. Starr. Wie tot, dachte ich und spürte, wie es mich lockte. Ich musste den MIetwagen anhalten. Es zog mich, führte mich, göttlich aus dem Wagen zu steigen, mich den Schlangen vorsichtig zu nähern, nachzusehen, ob sie beissend und lebendig sind oder totgefahren formvollendete Menschenfreunde, abseits der Menschheit liegend.
Ich sage EUCH: Wounded Knee ist nichts weiter als ein Hügel mit kleiner Kirche. Der Ort nimmt sich bescheidener aus als vermutet. Eine Stelle mit Maschenzaun. Ins Drahtgeflecht geknotete bunte Bandfetzen. DAS ist Wounded Knee. Ich bewahre die Stätte seither DERGESTALT im Hirn. Ich sah einen Mann mit seinem Verkaufsbrett. Ich habe dem Mann kein Andenken abgekauft. Ich habe ihm einen AUGENBLICK vermacht. Einfach und so wie ich es gelernt habe: Zack und fort!
Er hat es mir nachgesehen. Er hat sich im Sitzen verbeugt. Er ist im GEISTE richtig aufrecht ganz cool auf mich zu gegangen. Wir beide wussten: Es ist keinem geholfen, mit der Entrichtung von Almosen. Wir sind nicht stark genug für einander Der Indianer nicht wie ICH und DU und Müllers KUH nicht.
Ich mass die generelle Not der Übriggebliebenen an ihren kargen Hütten aus (..) diesem unverputzten Steinanwesen, neben zu Rost gestapelten ausrangierten Autos. Ausser das Klackern von Klunkern an Bockwurstfingern eines amerikanischen Fettsacks, gewahrte ich nichts weiter als die Totenstille. Jene Totenstille, die dem Massakern nachfolgt und schwer über allem ruht, wie als wäre das Massaker eben erst aufgeführt worden und den Mördern die Atempause vor der feigen Flucht zu gönnen.
ÜBRIGENDS
Auf dem Weg zurück sah ich einen farbigen Polizisten unter Rückendeckung seines weissen Kollegen einen weissen Kraftfahrzeugführer abtasten. Der hielt die Hände aufs Dach gelegt. Die Beine waren gebreitet. Alles glich den Filmen über Amerika gezeigt, die ich gesehen habe. OH, IHR ERINNERT EUCH ALLE
Dieser widerliche Moment, wenn es gilt, den übermütigen Raser aus seinen Träumen zum amerikanischen Highway des Lebens zu reissen.
Amerika ist ein sonderbares Schaustück. Du erlebst die Amerikaner nicht als ein fortschrittliches Volk. Sie sind nur wie sie sich gerne darstellen. Nichts darüber hinaus. Und: Sie sind keineswegs so naturliebend und gottgehorsam wie sie es dem Rest der Welt vorzumachen suchen. Sie sind grosse dumme Lümmel. Sie sind ganz und gar dem Unnützen des Lebens ergeben. Nehmt die zahllosen Visit-Center in Augenschein, Brüder, Schwestern. Das sind doch durchweg hässliche Bauten. Das sind auf Fett- oder Protz-Stein - Guck-Glas oder Holzkopf basierende Blubberstätten, die keinerlei Geschichte, Entdeckungsfreude, Instinkt-Erhalt, Vernichtungsgedenken, Feuerstellen, Sturmböen, Erdbeben und Kometen-Einfall illsutrieren, denn beherbergen, sondern Krieg und Wahn in verschiedenen Formen als notwendige Feldzüge der Geschichte darstellen.
All die grossen Schau-Tafeln überdecken alles und vermitteln nichts als Blut und Mordlust. Die amerikanische Himbeere, wünschen die Amerikaner, soll verdammt nicht blutgefüllt und rot sein und endlich nimmer weiter wie eine amerikanische Himbeere, sondern nach Himbeeren-Extrakt schmecken.
Blut und basta = Weltenpasta.
Ich sah in den wenigen Wochen meines ultimativen Amerika-Aufenthaltes die unfreiwilligen Extremstücke der amerikanischen Nichtkultur. Ich stand vor von Hand geknüpften Leichenfeldern. Ich blickte auf aus Blutbatzen geformte Mosaikbilder. Landschaften reden wahr. Alle aufgezeigte gesellschaftliche Wahrheit lügt. Es wimmelt in diesen Visit-Centren von ausgestopften Tieren.
Leide mit ihnen!
Die da nur auf- und ausgestellt sind schaut genauer hin sie wirken wie: als suchten die ausgestopften Tiere Amerikas die radikalere Traumbild-Ab-Nabelung vom amerikanischen Nichtleben: als sehnten sie in ihrer Ausgestopftheit den wahrhaften Tod als Material des tödlichen Todes. Ich meinte, die ausgestopften Tiere Amerikas suchten nichts Gewaltigeres als nur nicht weiter ausgestopft und in einem depperten Visit-Center ausgestellt zu dösen.
Mein Spruch lautete: Mir ist kein Volk zuvor begegnet und danach keines mehr von Welterfahrenen Menschen angeraten worden, das annähernd so viele Tiere ausgestopft und frech in phantasmagorische Landschaften hinstellt. Ich wusste sofort, was nur die Besten zur Kenntnis nehmen: Ein Volk von 80 Milliarden Asperin-Tablettenschluckern ist Amerika. Ein Volk für Psychologen, Apotheker. (ZUM BEWEIS DAS HIER: In den Badlands, den Black Hills stinkt die Luft nach Uran. Von Edgemont aus stürmisch begrüsst, hat das Uran die jubelnden Massen alle heimtückisch erkrankt und dezimiert. Trotzdem werden dem Uran in unvorstellbarem Ausmass Paraden abgehalten. Es kommt zu regelmässigen Miss-und Missens-Missstandswahlen. Miss Uranium kann sich die Überglückliche titeln. Der Uranabbau hiess es, bringt nicht nur Wohlstand, neue Behausungen, grössere Wagen, er bescherte Amerika das erste Dorf, in dem jeder Bewohner Millionär sein wird.)
Ja nun. Es wurde nichts aus dem Vorhaben. Es hiess eine Zeit lang, das trockene Wetter wäre Schuld am schlimmen Krankheitsverlauf. Von der Gefährlichkeit des Urans wissen die Leute heute noch nur so viel wie sie einfach nicht wissen wollen.
Weitere wichtige Momente vor dem allerwichtigsten Moment in USA waren für mich, liebe Schwester: Pine Ridge Indian Reservation
Irgendein Massaker
Nebraska
Colorado
Abflug nach Denver in Alamosa so hiess wohl der kleine Ort mit Flugplatz und Flugzeug-Tankstelle und einem Mann, der mir Flugzeuge erklärt hat
ein Wissen von keinerlei Vorteil für mich
GO ON, PETER mach`n TEXT BOY ! - Ich sass den halben Tag in Moms CafÈ. Mom war die freundlichste Bedienung von ganz Amerika. Ich war den Rest-Tag über ihr einziger Gast. Ich schrieb mir die Finger wund. Mom war um mich herum. Sie verwöhnte mich für überhaupt kein Geld, nur weil ich ihr von meinen Adoptionseltern erzählte, wie ich damals Mom and Dad zu Vati und Mutti sagen wollte. Ich hätte Mom gerne zur Mutter gehabt. Ich glaube, ich wäre mit Mom aus Moms CafÈ ein besserer Amerikaversteher geworden. Mom erhielt sich einen nicht zu verstehenden Kram hinterm Tresen. Zwei Lautsprecherboxen, von dunklem Kunstgewächs wie zur Beisetzung eingerahmt. Tinnef vom schlechten Geschmack zeugend.
Aber es war MOM, verdammt.Mom darf das.
Wie als wäre Mom Bestandteil eines Barbarenvolks. Und dann sah ich durch die Scheibe mehr als einmal äusserst dicke Kinder. Ich sah Raffgier und Völlerei auf zwei Beinen gehend. Die Kinder gingen nicht, sie stupsten sich Wasser gefüllten Riesenbällen gleich, vorwärts. So sieht Amerika im Detail nun einmal aus. Sorry.