Vergessene Sportarten:
Würbeln
Tief im Westen, dort wo der Osten noch gar nicht bekannt geworden sein sollte, im Hunsrück unterwegs, habe ich das Schild der Schilder gefunden. Unterm ersten Schock konnte ich nichts weiter verrichten als ein Foto von dem Verbalobjekt zu schiessen. Das Wort in seiner Pracht festhalten, auf dass es über die Welt komme und hinreichend bekannt gemacht werde. Daheim auf meinem Bildschirm habe ich mir das Prachtstück lange angesehen und mir gedacht: Nun freilich geht der normal veranlagte Betrachter davon aus, dass es sich hier um eine mehrfach nutzbare Halle handelt. Zum einen werden hier regelmässige Turnereien aufs Parkett gelegt. Zum anderen wird das Parkettholz zu den Brettern der Bühne gewandelt, wenn sich Kultur so absolut gar nicht verhindern lässt. Dass die Kultur auf Glas so vordergründig aufgeschrieben ist, wird den zuständigen Turnfreunden sicher nicht genehm sein. Den Verant-wort-lichen ist ein Fehler unterlaufen. Sie haben Turnhalle gemeint und irgendwie fast bockig dieses Kul- vor das -turn als Kürzel hinzufügen müssen. So also ist der Begriff Kulturnhalle dabei rausgesprungen. Aber man liest weniger Turn-, als mehr Kultur zur Halle und wundert sich über das farblich anders behandelte N.
Alles hängt hier am Buchstaben N. Das N nimmt die zentrale Position ein. Die Zuordnung stimmt micht, wie man unter Fussballern sagt. Das N steht etwas verrutscht zwar, doch Manns genug als N. Wie dem auch sei, das N erst, liebe Buchstabensuppenfreunde, macht die Turnhalle zum Kult. Ein wenig die exakten Rechtschreibregeln ausgelassen, liesse sich die Halle als kultige Turnhalle interpretieren, aber auch als Turn von Tina Turner ableiten. Man meint im besten Rockerjargon: Äh du, wir turn widder und Motorenlärm herauszulesen. Wer mutig ist, deutet turn als törn von Segeltörn und Antörnenlassen. Aber das war es dann auch mit der von weit her herangeholten Interpretation, die in diesem Fall nahe liegt. Mir ist: Die Halle des absoluten Turns (Törns), der Saal zum Würbeln lieber. Würbeln gleich mecklenburgischer Begriff für Hotten, Rocken, den Kopf bis zur Ohnmacht schütteln, wie wir es früher oft genug getan haben. Profis wissen sicher noch wie.
Für alle sonstigen Interessenten die Kurzbeschreibung: Würbeln eins: Beine breit aufs Parkett stellen. Würbeln zwei: Hände auf die Oberschenkel legen, Kopf nach vorne beugen. Würbeln drei: Im Takt von Steppenwolfs Born to bei wild, Cpt. Beeffhearts I¥m Gonna Booglarize You, Baby oder Whole Lotta Love von Led Zeppelin die Haare am Kopfe solange hin- und herschleudern bis der Schweiss nur so in Tropfenform spritzt und einem schwindelig wird.
Es bleibt das N. Das N spielt bei dem Begriff des Tages das Zünglein an der Waage. Und die Frage stellt sich völlig unbeantwortet: Wer war zuerst in der heiligen Halle? Turnvater Jahn oder aber doch die gute, alte, sich immer wieder neu und anders gebärende Würbel-n-Kultur?
Vorsicht beim Würbeln! Nicht für den Hausgebrauch zu empfehlen.