© sc.HAPPY
JUNG GESELLEN ABSCHIEDS SCHEISSE. Die revolutionärste
Neujahrsinschrift an einer Berliner Kneipe habe ich in Mitte
entdeckt. Die Kneipe heisst Aufwärts oder Abwärts. Ist
auch egal. Sie ist top obenauf behaupte ich; sie ist ein
seltener, zu schüt
Kunst von sc.Happy
inseriert: 05.01.10
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Junggesellenabschiedsscheisse
He, dort traut man sich wirklich was. Bitte keine Junggesellenabschiede! Danke steht dort in Grossbuchstaben geschrieben. Für unsere ausländischen Feierfreunde ist darunter: No Stag Tours Please Thanks vermerkt. Die zwei Hass-Worte sind in beiden Sprachen mit Alarmfarbe unterstrichen. Schrift und Form drücken Abkehr und Unmut aus. Ganz in echt und ganz auf Weiss steht hier geschrieben: He, Ihr Feieridioten. Man hat hier die Schnauze von Euch gestrichen voll. Man will den Aufruhr aus dem englischsprachigen amerikanischen Grossfressenraum nicht weiter in der Hauptstadt erleiden, will wieder gemütliche Polterabende feiern, will Braut und Bräutigam fröhlich zusammen sehen und nicht diesen neumodischen Kram, diesen unabhängig voneinander mit Sauffreundinnen oder Kumpels abgehaltenen Mistkram, der sich feucht-fröhliches Event schimpft. Alles doch nur von Euch Saufsäcken und Likörmuschis veranstaltet, weil bei Euch Zuhause alle Segenskreuze schief angenagelt worden sind, feiern in Familie völlig out ist, in unserem beschissen Antifamiliären Deutschland. Besser durch die Kneipen ziehen und nix als die fällige Knete von den Ollen daheim abzocken. Und ab in die völlig haltlose Welt der Tischtraumtänzer, zu den vorehelichen Blödspielen, wo Hauptakteure sich lächerlichen Tests hingeben, depperte Aufgaben unterziehen, um auf ihre Ehetauglichkeit geprüft zu sein.
Das Kaschen von Küssen bei fremder Frauen gehört dazu. Oder der Bräutigam wird mit Handschellen auf der Damentoilette gekettet, muss sich dann loskaufen. Mundraub zum Vorglühen. Hampelmännergruppen, die eigenartige Trinkspiele veranstalten, wobei der Star des Abends stets geschont wird, weil der im Grunde ja lange aushalten muss und nicht sofort besoffen gemacht werden sollte.
Für diese ballerhammerdoofen Trinkfestspiele der Junggesellenabschiede werden Animateure bestellt. Servicedienste bieten Einpeitscher und Seelenschürer an.
Meiern und Mäxchen zum Beispiel gehört zum Repertoire. Man braucht zwei Sechserwürfel, einen Würfelbecher. Reihum wird höher als der Vorgänger gewürfelt. Es wird gelogen und betrogen. Du sollst so gar deine Mitspieler übervorteilen und bescheissen. Und wirst du beim Lügen erwischt, musst du einen Schnaps trinken. Danach geht es zum Saufpokern über und ist nach jedem verlorenen Spiel eine Runde Kurze angesagt. Beim Monopolysaufen wird für die Grundstück nicht Geld zugewiesen, sondern eine Alkoholsorte bestimmt. Je teurer das Grundstück, desto härter der Alkohol und unheilvoller die Anzahl der Gläser. Mieteinnahmen werden sofort versoffen. Höhepunkt einer jeden Schaffe ist eine Art Fragequiz, bei dem jede falsch beantwortete Frage mit einem Schluck aus der Pulle bestraft wird. Also was habt ihr.
Die Welt bleibt schön und allen offen. Die Mauer ist weg. Die Phantasie kennt keine Grenzen mehr. Variationen sind in jeder Form möglich.
Was die männlichen Krakeeler dürfen, gestatten sich erst recht die heiratswillen Frauen, die alle Mädels heissen und satte Mädelsparties abziehen.
Ich bin zwar nur ein einfacher Mann. Ich möchte dennoch, wenn ich mal ein Mädel bin, niemals Mädel genannt werden und zu meinen besten Freundinnen nie: He, Mädels sagen müssen, um als modernes Girl zu gelten. Ich möchte keiner Junggesellenballermanie unterliegen, wo die grobe Richtlinie meint, alle kommen ohne Partner, jede/r ist fest entschlossen, sich auszutoben.
Gemeinsame Shirts sind hilfreich und können bei der entsprechenden Firma bestellt werden. Einheitliche T-Shirts fördern das Zusammengehörigkeitsgefühl, machen lockerer.
Mädels suchen im Allgemeinen die Disco auf, wo sie mit ihren Freundinnen toll tanzen, heikle Spiele spielen, scharfe Einlagen absolvieren, für einen hohen Kreischeffekt sorgen. Man nennt sich Aufseherin, Aufpasserin, zukünftige Gefängniswärterin. Männer wie Frauen schreien im Chor: Ich bin ein Opfer. Mutti zahlt. Ja-Sagerin inkl. 19% MwSt noch zu haben und vom Umtausch ausgeschlossen. Meiner ist ein Brautflüsterer. Single Deadline: XX.XX.XXX. Das ist der allerletzte Abend in Freiheit. Ich bin für lebenslänglich ohne Bewährung. Wer rettet mich vor dem Nie-wieder-allein? Germanys next Top Wife sagt: Sorry Jungs. Ich heirate einen Ehesklaven, Gefangenen, Wärter, Aufpasser. Und dabei hätte ich sie alle haben können.
Wie wüst es auch zur Sache ging, erlaubt ist, was die Ruhe stört. Das schlechte Benehmen von A bis Z findet in den Kneipen der Metropolen statt, wo nun einmal die Lokalitäten grösser sind. Grösser, wilder wird der Ehehimmel nicht sein. Und wenn man es übertreibt, wird man rausgeschmissen. Das geht in der Ehe nicht so ratzbatz zu lösen. Besser hier und heute sich austoben und mit den Jahren sich stetig zum Ehemuffel beruhigen.
Männer ohne Frauen und Frauen ohne Männer lassen unter ihresgleichen die Sau raus und benehmen sich daneben. Die kleine Meute aus Emanzipationsgeschöpfen strebt in Richtung Grosse Weltliche Emanzipation. Zukunft geht nicht ohne Alkoholkonsum. Zur Stunde der Menschheitsdämmerung ertragen alle Teilnehmer den Kater am Tag danach geduldig. Und wer ehrlich ist, sagt, dass die Ehe eher was ganz Abgestandenes, Schlapperwasser ist, und eher hin als ehrene Ehe.
Mitunter ist der fidele Stripper auf dem Tisch, wie die orientalisch anmutende Nackttänzerin das wirklich letzte schöne Erlebnis vor den elendigen Ehejahren. Die Ernüchterung folgt eh auf dem Fusse. Schwer dem Traum vom Eheglück Partylaune einzuhauchen. Schwer dem Ehevertrag zu entfliehen, die nachfolgende Ein-Kind-Ehe-Realität zu ertragen.
Wer klug ist, bleibt frei, feiert auf Ibiza und denkt dem Junggesellen-Event sofort über die nächste, geilere Junggesellen-Ballermanniade nach. Wie gesagt: Besser nicht heiraten. Dann erspart man sich die Junggesellenabschiedsscheisse.
Mein erstes Foto auf der neuen Kamera in diesem Jahr