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Chorgesang statt Molotow. lernt besser den gemeinsamen
gesang, statt gemeinsam stimmlos zu bleiben


Kunst von sc.Happy
inseriert: 03.06.10
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Die Craft der Köre

Echo der Nachgeborenen heisst das Motto der Ernst Busch Tage Mai 2010. Das Programm ist gespickt mit Stars und Sternchen. Alle ehren sie Ernst Busch. Inge Keller. Gina Pietsch. Hilmar Thate. Manfred Wekwerth. Reinhold Andert. Der Singende Tresen. Dr. Seltsam. Klaus der Geiger. Stefan Körbel. Dorine Niezing. Alle geben sie sich Mühe. Genügend Anlässe, sich als Zaungast unter die Zuhörer zu mischen. Klaus+Peter (sonst für die Berliner Zeitung als Spaziergänger unterwegs), schlagen derartige Höhepunkte aus und stürzen sich ausgerechnet auf die Chöre zur MatinÈe im Münzenbergsaal des Gebäude des Neuen Deutschlands am Franz-Mehring-Platz, Berlin-Friedrichshain. Zehn Uhr dreissig Beginn. Solidaritätslied aller beteiligten Chöre. Die Bühne mit Sänger und Sängerinnen rappelvoll. Der Meister wäre hundertzehn Jahre alt geworden. Seine charismatische Stimme wird im Original eingespielt. Die Chöre singen die Refrains dazu. Der Saal voll mit treuen Jüngern. Das Publikum nur etwas jünger als der Geehrte. Manche singen leise und zackig nickend mit. Keinerlei Jugend. Nix. Die gesamte junge, kämpferische Linke lässt sich bei Ernst Busch nicht sehen. Es ist wie es ist. Es ist eine Schande. Unsere Autonomen kommen ohne Chormusik aus. Strassenkämpfer haben keinen Draht zu den gepflegten Arbeiter- und Kampfchören. Unglaublich, möchte man schimpfen, pfui sagen. Nach über vier Stunden Chorgesang und Schalmeiengeschmetter ist da weit und breit kein einziger Junglinker zu sehen. Der gesamte schwarze Block fehlt unentschuldigt. Vermischung findet nicht statt. Alt bleibt Kämpfer und jung ist desinteressiert. Was die Kultur und Hege des Kampflieds anbelangt, Nullanzeige bei allen Junglinken. Alles Musikbanausen, Rioreiserschatten. Dabei gingen die Rhythmen uns mitunter in die Knie. Vor allem die vom Hans Beimler Chor. Wie die das Lied der Moorsoldaten, Tango kapital und Marcha de 5∞ Regimiente hervorbrachten. Abwechslungsreich. Super arrangiert. Und der Dirigent ein mit den Armen schlagender Flattersatz, hebte fast ab. Alle Achtung. Den kurzen Versuch im Sitzen zuzuhören, unterliessen wir. Am liebsten hättennnnn wir uns auf dem Boden zum Kreis gesetzt und in Lennonmanier zu Give-Peace-a-Chance den Saalboden betrommelt. Nur macht sich das zu zweit so schlecht und der Saal signalisierte uns mit Seitenblick, dass wir ohne Mitstreiter bleiben würden. Chormusik ist immer auch ein wenig Weihe, Andacht, selbst wenn der Chor Ernst Busch Chor heisst und Ernst Busch Tage abgehalten werden. Weihevoll und andächtig hörte man zu. Mitunter hätten reine Männer-, Frauen-, Knaben-, Mädchen- oder gemischte Kinderchöre den Saal besser aufmischen können. Im Grossenganzen, einigten wir uns auf: Mehr Chorgesang. Nicht jeden Tag, nur ab und zu. Und schon gar nicht in einem Saal, sondern auf Strassen und Plätzen. Chor als Chorgesangserlebnis, begleitendes Singen bei der körperlichen Arbeit. Gesang wie unter Sklaven. Gemeinschaft als Ausdruck von Freude, Trauer oder als festes Ritual. Flottere Rhythmen, weniger deutsch und steif, sondern locker, leicht und polyphon. Afrikanische Musik. Einfache Terzen und Sexten. Was wir als Chorgesang kennen, bleibt unter seinen Möglichkeiten. Alles so wenig aufregend, fast schon so banal wie das Volksmusikchorschaffen aus alpinen Regionen. Revolution im Stile Bachs und Händels geht nicht, ist völlig out. Aber Arbeiterchöre gehören sich. Arbeiterchöre, die niemals in einen Saal auftreten. Auf die Strasse ihr Arbeiterchöre. Ihr sollt Euch sich draussen Gehör verschaffen. Euer Chorgesang soll unser Leben ausdrücken. Ausrufe. Schreie in Reimform wollen wir hören. Es muss schon was los sein, Tumult herrschen. Von den Leuten, die ihr besingt, muss Rückgesang kommen. Der gesungene Kampffaktor. Der gemeinschaftliche Akt. Die psychische Befreiung durch Singen. Frage. Antwort. Vorsänger. Gruppendynamik. Refrain und Spontanlyrik. Tradition in allen erdenklichen Variationen, Improvisation. Und Trommeln. Natürlich. Trommeln müssen einfach sein. Trommelfeuer und Kampf. Lieder und Balladen zum Leid und Ballast. Lieder, von sich geschleudert und in die Wagschale geworfen. Man kann an der bestehenden Politik mit Gesang und Gebrüll einiges ändern. Die Bürger sind flink zu schrecken. Und böse Menschen singen böse Lieder. Oder sollen die Rapper zur Zeit die einzigen Wesen bleiben, die ganz in der Tradition des Arbeiterlieds stehen, dem Leben Atem schenken und rhythmische Verse zum Dasein im grossen Ghetto schaffen? Chöre müssen her. Zorn und Häme sollen die Dirigenten heissen. Gegen soziale Missstände, Rassismus, Drogenmissbrauch und und Ö und sollen sie ihre Stöcke erheben.

so so so