Es ist hier ein Aufruf an alle ergangen. Unter #ioscrivoacasa sollten in Rom lebende Autoren schildern wie es ihnen unter den strengen Bedingungen der Quarantäne zuhause ergeht. Ich schrieb darüber, dass Rom für mich durch seinen Fluss am Meer läge, mein Meer die Ostsee war. Ich rieche Seetang, wenn ich nur dran denken. Ich durchlebe erneut die heftigen Stürme von damals und blicke erstaunt auf spiegelglattes Wasser. Bis zum Horizont reichte die Farbpalette in den Tönen von Blau zu Blau. Und über allem war dieser unvergesslich weite, lichte Himmel gespannt. Wir waren dauernd am Meer, ertrugen lähmende Hitze, finstere Wolken, peitschende Unwetter und Sandattacken, die unsere Gesichter blankrieben. Wir ärgerten und stritten uns. Wir waren unzufrieden, wütend. Wir wollten so oft nur noch fort und wegrennen. Aber dann brauchte es nur eines der Elemente, um uns wieder zu beruhigten und am Meer zu bleiben. Seit ein paar Tagen verlassen wir die Villa nicht mehr nur um einzukaufen. Wir entfernen uns weiter als die erlaubten fünfhundert Meter im Umkreis. Ich musste nach über zwei Monaten Hausarrest als erstes zum Fluss. Für mich wird das große Danach erst durch die Begegnung mit Wasser zum prägenden Neuanfang. Der Tiber entspringt im Apennin, fließt durch Italiens Hauptstadt und mündet schließlich westlich von ihr ins Tyrrhenische Meer. Der Fluss war grün, sein Pegel gesunken. Er floß recht munter dahin. Ich stand auf der Brücke, blickte aufs Wasser hinab und stellte mir die Gegend vor, wo der Tiber das Meer erreicht. Die Brücke führte uns zur Engelsburg. Davor stand ein Karussell unter durchsichtige Plane gepackt. Das musste Andrea unbedingt filmen. Einmal herum ging sie mit ihrer Handykamera. Zuhause unterlegte sie die Bilder mit chinesische Straßenmusik. Um ein Vielfaches verlangsamt sind da nur noch dunkle, matte Klänge zu vernehmen. Ein kurzer Film zur uns allen auferlegten Zwangspause. Hinter der Burg entdeckten wir den Eisladen. Keine Schlange davor, aber das ganze Sortiment im Angebot. Ich entschied mich wie immer für Mango und Schokolade, tiefschwarz, beinahe schon unecht aussehend. Zurück ins Leben zu finden, bedeutet vor allem alte Gewohnheiten wieder aufzunehmen und fortzusetzen. Der Platz vorm Petersdom war unübersehbar menschenleer und vollständig abgeriegelt. Nach dem verlassenen Karussell ein weiteres Bild von großer Ödnis. Die über Medien bekannte Fläche war so verwaist, dass ich meinte, wir würden uns von hinten auf einen Notausgang zum Papstpalast bewegen. Das Vakuum aber war der Vorplatz zum Vatikan. Wie anders es in der Villa geworden ist, beweisen die Fahrräder. Sie lümmeln nicht mehr an den Wänden, sondern werden wieder für Ausflüge benutzt. Zwei von uns sind so gar mit ihrem roten Moped unterwegs. Das ist auf dem Gelände noch komplett auseinander genommen und wieder zusammengesetzt worden. Wichtige Teile, von Zuhause mitgebracht und lange nicht angefasst, wurden in der Zwischenzeit gegen die verschlissenen ausgetauscht. Die Maschine sei nicht unbedingt schneller, dafür aber aggressiver geworden, sagt Boris. Seine Freundin auf dem Sozius mag es gemütlich. Er aber steht auf robust ausgeführte Kleinstaktionen. In Rom sei es wichtig auf plötzliche Situationen geschickt und entschlossen zu reagieren. Und kommen die Ausflügler zurück, berichten sie von Gegenden, die ich aus früheren, virusfreien Tagen noch recht gut im Gedächtnis habe. FOTO: Gerd Adloff