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27.07.24   01:03:20

Neue Informationen über die Vorgänge von Butscha, aber kein Bericht in westlichen Medien


Vor einem Gericht in Tschechien hat ein Söldner (Siman) ausgesagt, bei den Ereignissen in Butscha dabei gewesen zu sein. Er berichtet von Plünderungen, Vergewaltigungen und Morden durch Söldner und ukrainische Nationalisten in Butscha. Er hat sich nach der Eskalation in der Ukraine dem von der faschistischen Swoboda-Partei aufgestellten Bataillon »Karpaten-Sitsch« angeschlossen. Alleine dafür droht ihm eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren. Westliche Medien berichten darüber nicht.

Siman in Butscha
Offenbar unfreiwillig brachten die Aussagen von Siman auch Licht in das angeblich von der russischen Armee begangene Massaker von Butscha. Er sagte vor Gericht nämlich aus, von Ende März bis Anfang April drei Wochen lang als Kommandeur einer 12-köpfigen Einheit in Butscha und Irpin gewesen zu sein, um die Städte von Russen zu säubern.
Zur Erinnerung noch einmal die Chronologie der Ereignisse von Butscha: Am 31. März 2022 meldete der Bürgermeister in einer fröhlichen Videobotschaft, in der er kein Wort über Massaker sagte, den Abzug der Russen. Erst am 2. April rückte die ukrainische Armee in Butscha ein, den Aussagen von Siman zu Folge war er dabei. Der Befehl, über den damals auch ukrainische Medien berichtet hatten, lautete, eine „Säuberungsaktion“ durchzuführen und Butscha von „Komplizen Russlands“ zu säubern. Am nächsten Tag gingen die Bilder der Leichen auf den Straßen Butschas um die Welt, wobei die Leichen weiße Armbinden trugen, die das Erkennungsmerkmal pro-russischer Leute sind. [TR As]



© Karl Siegel / Foto: L. Schulz Grossansicht, Zurück zur Gesamtübersicht #artdisc.org Mediathek

Kritische Anmerkungen zum Denkzeichen für Georg Elser in
Berlin


Kunst von Karl Siegel
inseriert: 22.11.10
Hits: 3657


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Im zweistufigen, europaweit ausgeschriebenen offenen Kunstwettbewerb zur Errichtung eines Denkzeichens für den Hitler-Attentäter Georg Elser ist der Künstler und Designer Ulrich Klages zum Preisträger gekürt und dessen Entwurf zur Realisierung in der Berliner Wilhelmstrasse, unweit der ehemaligen Reichskanzlei, empfohlen worden.

Ideengeber und Initiator für ein Georg-Elser-Denkmal in Berlin ist der vom Berliner Abgeordnetenhaus unterstützte Schriftsteller Rolf Hochhut. Das Engagement von Hochhut für ein Denkzeichen, mit dem eine lang unterschätzte Person der Zeitgeschichte dem Vergessen entrissen werden kann, ist grundsätzlich anerkennenswert. Dass er sich damit vehement für eine Bildhaftigkeit in der Darstellung, also gegen symbolisch-abstrahierende Entwurfskonzepte ausspricht, die er allesamt unter das Diktat des Gegenstandslosen subsumiert, hat den Kunstwettbewerb allerdings zur Farce werden lassen. Das kategorische Einfordern von allegorisierenden (versinnbildlichenden) Entwürfen ist zudem als Eingriff in die künstlerisch-gestalterische Offenheit zu werten und als solcher nicht akzeptabel. Aber genau dabei findet Hochhut Unterstützung von einem anderen Förderer des Projektes: von Jan-Philipp Reemtsma. Und der möchte keinen Euro spenden, wenn statt eines Elser-Abbildes Gegenstandsloses hingestellt wird. Nun hat sich gerade in den letzten Jahrzehnten gezeigt, dass einfache symbolische, erst im Nachhinein wirksam werdende Darstellungen, die Beunruhigen und Denkprozesse beim Betrachter auslösen, als Gedenkkonzept eher überzeugen, als bedeutungsgeladene Allegorisierungen und Verschiebungen auf kunstphilosophische Hochlagen.

Da den beteiligten Künstlerinnen und Künstlern die Vorpositionierung der Initiatoren und Geldgeber spätestens seit dem Symposium zum Denkzeichen-Wettbewerb (Okt. 2008) bekannt war, haben sie sich in der vagen Hoffnung auf ein Bearbeitungshonorar mit ihren Entwürfen weitgehend an der Figur und dem Konterfei Georg Elsers orientiert. Dass nun aber das Preisgericht mit einstimmigem Votum den Entwurf von Ulrich Klages mit einer Gesamthöhe von 17 Metern zur Realisierung empfohlen hat, der das Gesicht Elsers im Profil zu einer monumentalen Silhouette vergrössert hat, zeigt einmal mehr, zu welch seltsamer Blüte es die wettbewerbswütige deutsche Gedenkkultur treibt. Zumal das physiognomische Profil eines Menschen verdammt wenig über sein Denken und Handeln aussagt und die Methode zur Formfindung des preisgekrönten Künstlers an die im Berliner Kaiser-Wilhelm-Institut angewandte Methode erinnert, welche der Erstellung von Schädel-Silhouetten diente. Mit ihnen sollten Grundlagen zur rassistischen Unterscheidung von Personengruppen geschaffen werden. Die methodische Vorgehensweise zur jeweiligen Formerstellung unterscheidet sich primär Verfahrenstechnisch: die NS-Anthropologen mussten sich noch mit einem einfachen Bleiband als Hilfsmittel begnügen, der Künstler kann dagegen einen modernen Projektionsscanner einsetzen und mit den gewonnen Daten einen Laserschnitt durch beliebiges Material in beliebiger Grösse steuern. Die formkonstituierende Methode des Künstlers ist also historisch gewissermassen vorbelastet. Sie könnte durchaus einem Ariernachweis zweckdienlich sein, wenngleich sie einem völlig anderen Verwendungszusammenhang unterliegt. Nämlich dem eines klaren, schwerelos wirkenden Stadtzeichens, das sich, nach einhelliger Meinung der Preisrichter/innen, eindeutig auf die Person Georg Elsers bezieht. Der mit dem 1. Preis bedachte Künstler gibt diesem Meinungsbild gegenüber allerdings zu bedenken, dass das Zeichen auch für den Mensch an sich steht. Für den Mensch an sich wurde der Kunstwettbewerb aber nun leider nicht initiiert.

Ein weiterer Bestandteil des Siegerentwurfs ist ebenfalls umstritten: der Künstler möchte Zitate Georg Elsers im Gehweg, nahe der ehemaligen NS-Machtzentrale, als Leuchtschrift einlassen, welche Gestapo-Verhörprotokollen entnommen wurden. Georg Elser wurde nach seiner Festnahme zunächst in München verhört und gefoltert. Dort gesteht er in der Nacht vom 13. auf den 14. November 1939 sein Bombenattentat auf Hitler und dessen Clique. Die Gestapo-Protokolle auf die sich der Künstler bezieht wurden zwischen dem 19. und 23. November 1939 in täglichen, bis zu 15 Stunden dauernden Verhören im Reichssicherheitshauptamt in Berlin erstellt. Dass die in diesem Zeitraum von NS-Schergen verfassten Aufzeichnungen - als fragmentarische Zitate am Denkzeichen verewigt - einen authentischen Zugang zu Elsers Beweggründen bieten, darf bezweifelt werden. Weniger zweifelhaft sind hingegen die protokollierten Aussagen von Elser, die sich auf die technischen und logistischen Details seiner Tat beziehen. Denn damit wollte er seine Alleintäterschaft glaubhaft machen, um Unschuldige vor der Gestapo zu schützen.

Gerade im Zusammenhang mit dem Einzeltäter Georg Elser wird die Inanspruchnahme einer Deutungshoheit über den einzig wahren Widerstand im NS-Staat offenkundig. Mit ihr lassen sich einige Facetten der politischen Instrumentalisierung bundesdeutscher Gedenkkultur verdeutlichen. So ist nicht weiter verwunderlich, dass in der 1994 konzipierten Ausstellung Widerstand gegen den Nationalsozialismus, welche in der Gedenkstätte deutscher Widerstand im Bendlerblock gezeigt wurde, weder auf die Person noch auf die Tat Georg Elsers aufmerksam gemacht wurde, obwohl wesentliche Einzelheiten zu Elsers Bombenanschlag auf Hitler bereits in den 1960er Jahren, seit der Entdeckung der Verhörprotokolle, bekannt waren. Schliesslich war Georg Elser der einzige Widerständler, der mit seinem Attentat vom 8. November 1939 - am Jahrestag des Hitlerputsches von 1923 - im Münchner Bürgerbräukeller dem Leben Hitlers unmittelbar gefährlich wurde, ohne dabei selbst in das NS-Regime verstrickt gewesen zu sein. Letzteres kann von Claus von Staufenberg und den Mitverschworenen des 20. Juli 1944 nicht behaupten werden. Dennoch hat gerade in der Ära Kohl der elitär-konservative wie auch christlich motivierte Widerstand eine Würdigung erfahren, welche dem Widerstand aus der Arbeiterbewegung bislang versagt geblieben ist. Georg Elser war halt ein einfacher Arbeiter, ein Schreinergeselle, der als Mitglied im Roten Frontkämpferbund der KPD nahestand.

Näheres zu Georg Elser und seiner Tat ist auf der Website www.georg-elser.de dokumentiert.

Der Artikel wurde mit geringfügigen Änderungen bereits in analyse & kritik Nr. 555 abgedruckt

karl siegel