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Der nullte Kaddish


Kunst von Clemens Schittko
inseriert: 15.04.12
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vor Paulus Böhmer

Ich dachte an die vielen Morde ...
die im In und im Ausland ...
Graf Schwerin von Schwanenfeld

Was die mit Preisen und Stipendien ausgezeichne ten, die mit Poetikdozen turen bedachten oder vom Feuilleton gelobten (über 120) deutschsprachigen Lyriker meiner Generation in ihrer sogenannten zeit genössischen Lyrik nicht erwähnen, das ist das ei ne Kind unter zehn Jah ren, das alle fünf Sekun den verhungert; das ist der eine Mensch, der alle vier Minuten wegen Man gel an Vitamin A das Au genlicht verliert, das sind die über 100.000 Men schen, die jeden Tag an Hunger oder seinen un mittelbaren Folgen ster ben, das sind die 828 Millionen Kinder, Män ner und Frauen, die letz tes Jahr permanent schwerstens unterer nährt waren, das sind die 12 Milliarden Menschen, die die Weltlandwirtschaft heute problemlos ernäh ren könnte (aus der Zeit achse fällt alles Fleisch), das ist die nordamerika nische Finanzoligarchie, die 24% des WeltBrutto sozialprodukts, 41% des Welthandelsvolumens und 53% des Weltener giemarktes beherrscht, das sind die 42% aller Militärausgaben der Welt, die die USA Jahr für Jahr tätigen, das ist der inzwischen nur noch zweitreichste Mann der Erde, Bill Gates, der so viel Geld besitzt wie die ärmsten 120 Millionen USBürger zusammen, das sind die Hunderte von Millionen, die jedes Jahr an den Folgen von Krankheiten und Epidemien sowie den Mangelerschei nungen, die auf schwere Unterernährung zurück zuführen sind, sterben, das sind die 2,7 Milliarden Menschen, die unterhalb der Armutsgrenze von we niger als zwei USDollar pro Tag leben (ich kann mir an den Kopf fassen, kann mich aber nicht als Gehirn begreifen), das sind die reichsten 1% der Weltbevölkerung, die 40% des Weltvermögens kon trollieren, das ist die ärm ste Hälfte der Weltbevöl kerung, die nur 1% des Weltvermögens besitzt, das sind die 2,6 Milliarden Menschen und damit fast zwei Fünftel der Weltbe völkerung, die keinen Zu gang zu Sanitäranlagen haben, das sind der Man gel an sauberem Wasser, fehlende Sanitäranlagen und schlechte Hygiene, die jährlich etwa 1,5 Milli onen Kindern unter fünf Jahren das Leben kosten, das sind die 500 grössten multinationalen Konzerne der Welt, die 52% des Welt bruttosozialprodukts, also die Hälfte aller auf der Welt erzielten Reichtümer, be herrschen (kein König, Kai ser oder Papst hat jemals so viel Macht besessen), das sind die 176 Kinder unter sieben Jahren, die innerhalb von zwei Stun den an Hunger sterben, das sind die 49 ärmsten Länder der Welt, die im letzten Jahr eine Auslands schuld von 2.100 Milliarden Dollar auszuweisen hatten, das sind die 30 Millionen Menschen, die jährlich ver hungern (im Vergleich dazu tauchen die über 3.000 Men schen aus 62 Nationen, die innerhalb von drei Stunden am 11. September 2001 in New York ermordet wurden, in keiner überregionalen Mor talitätsstatistik auf), das sind Hunger, Seuchen, Durst und armutsbedingte Lokalkonflik te, die jedes Jahr fast genau so viele Männer, Frauen und Kinder dahinraffen wie der Zweite Weltkrieg in sechs Jahren, das sind die sieben Millionen Menschen, die auf grund mangelhafter Ernäh rung oder infolge von Krank heiten jedes Jahr erblinden, das ist das Wissen der Welt (über die Welt), das sich alle fünf bis zwölf Jahre verdop pelt, (Notiz an mich: Ab dem 30. Lebensjahr verdoppelt sich auch, egal an welchem Ort der Erde, ca. alle 9 Jah re das Risiko zu sterben), das sind die vielen Billionen Menschen, die tot sind, seit es Menschen gibt (ginge es demokratisch zu, müsste man Wahlbenachrichtigun gen an die Friedhöfe dieser Welt schicken), das sind die mit Preisen und Stipendien ausgezeichneten, die mit Po etikdozenturen bedachten oder vom Feuilleton gelobten (über 120) deutschsprachigen Lyriker meiner Generation selbst (denn ich will hier niemanden mit Zahlen lang weilen), die sich in ihrer sogenannten zeitgenössi schen Lyrik nicht erwähnen.